Samstag, 18. Dezember 2010

Grippemedikamente - Die Tamiflu-Lüge

Von Nike Heinen

Milliarden haben Regierungen ausgegeben für das Grippemedikament Tamiflu, um gegen eine Pandemie gewappnet zu sein. Nun warnen Wissenschaftler: Die veröffentlichten Daten zu dem Mittel sind massiv geschönt.

Etwa für jeden fünften Bundesbürger liegen sie bereit: Grippemittel, die im Falle einer Pandemie die lebensgefährlichen Komplikationen der Infektion entschärfen sollen. Allein das Land Bayern hat 22.Millionen Euro dafür ausgegeben. Dass das Geld nicht einmal dann gut angelegt sein wird, wenn wirklich einmal eine Grippe-Pandemie zuschlägt, zeigt nun eine aktuelle Analyse. Sie belegt, was kritische Stimmen schon seit Jahren formulieren: dass die Virenhemmer keinesfalls so nützlich sind, wie es ihre Hersteller versprechen.

Die verfügbaren Daten zu den Grippemitteln Zanamivir (Relenza) und Oseltamivir (Tamiflu) sind schwach. Und im Fall von Tamiflu wurden offenbar selbst diese schwachen Daten geschönt, behauptet ein internationales Gutachterteam der Cochrane Collaboration.

Schon seit langem fragen sich Pharmaexperten, weshalb die beiden Grippemittel Zanamivir (Relenza) und Oseltamivir (Tamiflu) eigentlich in Politik und Bevölkerung ein so hohes Ansehen genießen. Die verfügbaren Daten zu den Arzneien sind schwach. Demnach nützen die Mittel allenfalls dann zur Behandlung, wenn sie bei den ersten Symptomen genommen werden.

Und im Fall des bekannteren Tamiflu wurden offenbar selbst diese schwachen Daten geschönt, behauptet jetzt ein internationales Gutachterteam der Cochrane Collaboration, eines Netzwerks von Wissenschaftlern, das systematische Übersichtsarbeiten zur Bewertung von medizinischen Therapien erstellt.

Nun gebe es keine Evidenz mehr dafür, dass die Grippemittel schwere Komplikationen wie Lungenentzündungen verhindern könnten, erklärt das Team um den britischen Epidemiologen Tom Jefferson, der in Rom für die Cochrane Collaboration arbeitet.

Die Grippemittel standen im Jahr 2006 in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. Damals ging die Angst um, der Erreger der Vogelgrippe könne zu einem Virus mutieren, das sich auch gegen Menschen richtet und todbringend um die Welt zieht. Tamiflu und Relenza, die einzigen spezifischen Grippemedikamente, sollen so eine Influenzapandemie zähmen können. Das verspricht schon der Name Tamiflu; er ist ein Phantasiewort aus dem englischen "tame" für zähmen und "flu" für Grippe.
Hinweise von einem japanischen Kinderarzt

Dass Tamiflu das könne, ergab auch so manche wissenschaftliche Studie. Demnach waren die gefürchteten Atemwegskomplikationen, die im Verlauf einer Grippe tödlich sein können, deutlich seltener, wenn Patienten bei einem Verdacht auf eine Influenza mit dem Grippemittel behandelt wurden. Grippekranke sterben in der Regel nicht an den Influenzaviren; vielmehr öffnen die Viren den gefährlichen bakteriellen Erregern einer Lungenentzündung die Tür. Das kann den Grippekranken zum Verhängnis werden.

Tamiflus Karriere wurde vor allem durch eine Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2003 befördert. Die Arbeit war unter Federführung von Laurent Kaiser entstanden, dem Leiter des Zentralen Virologischen Labors am Genfer Universitätsklinikum. Kaisers Team hatte dazu zehn bis dahin vorliegende Wirksamkeitsstudien in Augenschein genommen - allerdings waren alle vom Tamiflu-Hersteller Roche selbst durchgeführt worden.

So kam Kaiser zu dem Schluss, dass Patienten messbar weniger Komplikationen erlitten, wenn sie Tamiflu bekamen: Jeder achte Tamiflu-Patient benötigte wegen einer drohenden Lungenentzündung ein Antibiotikum (45 von 368 Testpersonen); ohne Tamiflu (aber mit Placebo) war es jeder fünfte (74 von 401 Testpersonen).

Wo auch immer die Studienlage zu Tamiflu einer wissenschaftlichen Revision unterzogen wurde, wurde Kaisers Übersichtsarbeit zitiert und deren Schlüsse offenbar kritiklos übernommen. Als im Zuge der Vogelgrippe die Staaten, die es sich leisten konnten, Millionenreserven des Grippemittels anlegten, diente die Arbeit als Referenz dafür, dass man ein wirksames Mittel eingekauft hatte.

Auch Tom Jefferson und seine Mitarbeiter vertrauten Kaisers Einschätzungen, als sie 2006 zum ersten Mal die Studienlage zu Grippearzneien auswerteten. 2009 bekamen sie vom britischen National Institute for Health Research den Auftrag für eine erneute Revision. Kurz darauf kam Post aus Japan.

"Ein Kinderarzt aus Osaka wies uns darauf hin, dass wir uns auf zweifelhafte Daten verlassen hatten", sagt Jefferson. "Die Autoren des Kaiser-Reviews sind vier Angestellte und ein bezahlter Berater von F. Hoffman-La Roche Ltd. - und Kaiser", schrieb Keiji Hayashi. "Und nur zwei der zehn Studien sind in Fachzeitschriften publiziert worden." Nur in den acht unvollständig veröffentlichten Arbeiten aber, so Hayashi, würde Tamiflu besser wirken als ein Placebo.

Die Cochrane-Gutachter nahmen die Hinweise ernst. Sie wollten tiefer graben, tiefer als das, was der Öffentlichkeit bis dahin freiwillig an Auswertungen und Basisdaten vorgelegt worden war. Dazu aber brauchten sie nackte Daten, anders ausgedrückt: die nüchternen, uninterpretierten Studienprotokolle.

Kaiser aber verwies Jefferson an Roche. Doch der Konzern wollte dem Briten nur im Tausch gegen eine Verschwiegenheitserklärung Einsicht in seine Protokolle gewähren. Das wollte sich Jefferson nicht bieten lassen. Im Dezember 2009 machten er und seine Mitstreiter die Lücken in den publizierten Daten im British Medical Journal öffentlich.

Zugleich zogen sie für ihre Neubewertung nur jene Studien heran, die üblicherweise in eine Übersichtsarbeit fließen: solche, die vollständig publiziert sind. So kamen sie zu demselben Schluss wie Keji Hayashi: Allen veröffentlichten Daten zufolge beuge Tamiflu Atemwegskomplikationen infolge einer Grippe nicht besser vor als ein Placebo, so das Fazit.


Plötzlich reagierte Roche ganz schnell: "Die vollständigen Berichte für die Studien" würden "in Kürze auf einer passwortgeschützten Seite für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung stehen", versprach James Smith, für Tamiflu zuständiger medizinischer Leiter bei Roche, in einer schriftlichen Erwiderung im British Medical Journal. "


Jedes Modul habe ein anderes Thema, erläutert Tom Jefferson. "Da wir sie ja nicht kennen, wissen wir auch nicht mit Sicherheit, was in den Modulen steht, die uns nun seit einem Jahr vorenthalten werden."


Die Forscher vermuten unter anderem Informationen darüber, wie die ursprünglichen Fragestellungen der Studien aussahen und ob diese im Laufe des Versuchs abgewandelt wurden. Die ersten Module zeigten, dass mehr als die Hälfte der Ergebnisse in der Schublade verschwunden waren, so Jefferson: die Daten von 2691 der 4813 Studienteilnehmer.


Allzu häufig werden bei medizinischen Studien Fragestellungen im Nachhinein an die gewonnenen Daten angepasst. So lässt sich eine gewünschte Wirkung schließlich doch scheinbar beweisen, auch wenn es sie in Wirklichkeit gar nicht gibt.


Auch eine andere wichtige Frage würde Tom Jefferson gerne mit Hilfe fehlender Module beantworten: Weshalb wurden in den acht unpublizierten Studien so viel mehr Kranke als gewöhnlich positiv auf Influenza getestet? Es komme bei medizinischen Studien oft vor, dass es eine Vorauswahl der Probanden gebe, sagt er. In einem solchen Fall stehe dann in Frage, "ob die Ergebnisse dieser Versuche überhaupt auf die normale Bevölkerung übertragbar sind".


Schließlich treibt Tom Jefferson noch die Frage nach den Nebenwirkungen um. Die bisher publizierten Studien fanden entweder "keine" oder "keine mit Oseltamivir in Zusammenhang stehenden" schweren Nebenwirkungen. Allein in den offengelegten ersten Modulen aber finden sich zehn schwere Zwischenfälle bei neun Probanden, drei davon werden mit Tamiflu in Verbindung gebracht.


Psychotische Zustände bei Kindern


Dazu passt, dass japanische Ärzte während des H1N1-Ausbruchs im vergangenen Winter speziell bei Kindern, die mit Tamiflu behandelt wurden, gehäuft psychotische Zustände beobachtet hatten. Auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung erklärt das Unternehmen Roche, es gebe gar keine Datenlücke: "Roche glaubt, dass es alle die Daten zur Verfügung gestellt hat, die nötig sind, um die Fragen der Cochrane-Gutachter zu beantworten."


Der Konzern will bei künftigen Anfragen der Wissenschaftler erst deren Protokoll zu den neuen Tamiflu-Forschungen sehen, "damit wir entscheiden können, welche Daten sie für ihre Fragen brauchen". Das sei eine "verkehrte Welt", findet Tom Jefferson. "Seit wann entscheiden die Begutachteten, was der Gutachter sehen darf - und was nicht?"


Trotz der mühseligen Arbeit hat sich Jefferson für 2011 ein noch größeres Projekt vorgenommen. Im neuen Jahr plant er eine Bestandsaufnahme des Wissens über alle Influenzaviren-Hemmer, auch zwei neuere, die noch keine Zulassung haben, Peramivir und Laninamivir.


Zumindest die Datenlage zu Tamiflus Konkurrenten Relenza von Glaxo Smith Kleine sei auch nicht vertrauenerweckend, sagt er. "Überall haben wir Indizien für manipulierte Daten gefunden." Der größte Behandlungsversuch aus den USA, den Glaxo Smith Kline jemals für Relenza durchgeführt hat, habe übrigens keinen Effekt gezeigt, so Jefferson. "Und er wurde nie veröffentlicht."

Quelle: sueddeutsche.de, 17.12.2010

Sonntag, 12. Dezember 2010

Marietta Slomka: Ich habe einen Traum

"Ich habe einen Traum...."

Marietta Slomka in der "Zeit" vom 22.04.2004:

"Ich habe einen Traum – der mir die Ruhe raubt. (...)

Auf meinem Studiotisch herrscht verräterische Leere.

Dort, wo sich sonst das Papier mit den Neuigkeiten der letzten Stunden stapelt, liegen nur ein paar vereinzelte Seiten. Der Teleprompter, von dem ich die selbst geschriebenen Nachrichtenmoderationen lese, ist dunkel. Ich frage die Regie, warum das Gerät nicht läuft. Keine Antwort. Die Studiobeleuchtung erlischt. Ich setze mich trotzdem gerade hin, drücke den Rücken durch und warte auf das Zeichen zum Sende-Start. Aus den Studiolautsprechern kommt eine Durchsage des Regisseurs: »Das heute-journal fällt aus. Es gibt nichts, was wir zu vermelden brauchten. Wir senden stattdessen ein Schwarzbild. Schönen Feierabend.«

Ich zappe durch zwei deutsche Nachrichtenkanäle. Auf n-tv läuft nur das Wetter und sich ständig wiederholende Berichte über den Start des Senders vor zehn Jahren. N24 wiederholt Tierdokumentationen aus den sechziger Jahren. Auf einem Laufband steht: »Es gibt gerade nichts Neues.«

Die Telefone laufen heiß. Tausende Zuschauer beschweren sich. »Wo bleiben die Toten, wo die miserablen Konjunkturdaten?«, fragen sie empört. Das ZDF bringt nach dem 30-minütigen Schwarzbild eine Sondersendung zum Thema: »Nichts ist das Neue. Wie wir ab sofort ohne News leben müssen.«

RTL vermeldet unter dem Signet »Breaking News«: »Ruhe vor dem Sturm: Geheimnisvoller Frieden erschüttert die Welt. Tausende Reporter bald ohne Arbeit?« Die Nachrichtenagentur dpa versendet eine Eilmeldung: » Bild hat Hinweise auf Kollaboration von friedlichen Elementen weltweit.« Die ARD ruft eilig die Chefredakteure der Regionalsender zusammen. Der Programmauftrag sei in Gefahr. Schon befürchte man einen Einbruch bei den Gebühren. Die Nachrichtenagenturen überbieten sich mit immer neuen Deutungen der plötzlich gewaltlosen Weltlage. Im ZDF senden wir weiter Schwarzbild mit Untertiteln (»Es gibt nichts zu berichten – bleiben Sie dran!«). Am nächsten Morgen legt man uns die Zuschauerzahlen auf der Tisch: Es waren die höchsten Einschaltquoten aller Zeiten."

Quelle: www.zeit.de

Samstag, 13. November 2010

EU: Richtlinie zur Verwendung traditioneller und pflanzlicher Medizinischer Produkte

Alliance for Natural Health Intl
The Atrium, Curtis Road, Dorking
Surrey RH4 1XA, United Kingdom

T +44 (01306 )646 600
F +33 (0)1306 646 552 info@anh-
europe.org

www. anh-europe.org

ANH BRIEFING
RICHTLINIE ZUR VERWENDUNG TRADITIONELLER UND
PFLANZLICHER MEDIZINISCHER PRODUKTE

Traditional Herbal Medicinal Products Directive (THMPD)
2010 Update


Richtlinie zur Verwendung traditioneller und pflanzlicher Medizinischer Produkte (Richtlinie 2004/24/EG)
Traditional Herbal Medicinal Products Directive (Directive 2004/24/EC)


Hintergrund

  • Die Richtlinie zur Verwendung traditioneller und pflanzlicher Medizinischer Produkte (THMPD) existiert als Richtlinie, die der Richtlinie „Human Medicinal Products Directive“ (2001/83/EG, Änderung durch 2004/24/EG) untergeordnet ist. Im Wesentlichen beschreibt sie ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren (,fast-track‘) für pflanzliche medizinische Produkte, für die eine bibliographische Sicherheitsdatensammlung zusammen mit einem Expertenbericht 30 Jahre der sicheren Anwendung dokumentieren, davon mindestens 15 Jahre in der EU (Artikel 16(c)1(c)).


  • Bei diesem vereinfachten Verfahren entfällt die Notwendigkeit, Sicherheit und Wirksamkeit nachzuweisen, was typischer Weise der kostenintensivste Teil für den Antrag auf Marktzulassung bedeutet.

  • Anträge für eine Marktzulassung nach THMPD erfolgen über bestimmte Mitgliedsstaaten mit Daten, die vom Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) bewertet werden, der auch die Verantwortung übertragen wurde, Monographien für pflanzliche Substanzen zu verfassen.(http://www.ema.europa.eu/htms/general/contacts/HMPC/HMPC.html).
    Zum Zeitpunkt der Schriftlegung Ende 2008 waren 22 Monographien abgeschlossen, ca. 100 waren eingereicht. Es werden nicht mehr als insgesamt 200-300 noch erwartet.

  • Produkte, die nach THMPD genehmigt werden, sind zum Gebrauch ohne ärztliche Konsultation für Diagnosezwecke, zur Verschreibung oder zur Therapiekontrolle zugelassen. Daraus erwachsen gravierende Probleme, da der Großteil der traditionellen medizinischen Produkte normalerweise nach ärztlichem Rat verwendet wird, und ein kleiner Teil dabei auch für ernste Erkrankungen, wie Krebs, psychiatrische Erkrankungen, Infektionserkrankungen (z.B. Hepatitis, Influenza), Herz-Kreislauferkrankungen, Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes. Keine dieser Anwendungsgebiete würden durch die Genehmigungsbehörde akzeptiert.


  • Die Bestimmungen der THMPD treten im April 2011 in vollem Umfang in Kraft. Die Bestimmungen stellen jedoch für viele KMUs des Bereichs der natürlichen Gesundheit, die traditionelle pflanzliche Produkte entweder herstellen und/oder vertreiben, ein großes Hindernis dar.
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen:

  • Die Kosten der Erstellung von Dossiers und Antragstellung zur Marktzulassung:
    der überwiegende Teil von kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) stellt eine ganze Reihe von Produkten her, mit jeweils relativ kleinen Chargen, vergleicht man sie mit den großen Konzernen, die typischerweise nur wenige Produkte aber mit hohen Verkaufsvolumina produzieren. So belasten hohe Zulassungskosten die KMUs völlig disproportional zu den großen Konzernen.

  • Die Anforderungen des HMPC-Ausschusses an genotoxische Daten hoher Qualität:
    Für viele pflanzliche Substanzen, die in den Kulturen der traditionellen Medizin Anwendung finden, sind diese Daten nicht vorhanden oder werden von der HMPC/EMA als unzureichend beurteilt. Diese Anforderungen sind der Hauptgrund dafür, dass nur wenige Anträge bislang über dieses Zulassungsverfahren eingereicht wurden (etwa 110 aus insgesamt 25 Mitgliedsstaaten zur Zeit der Schriftlegung Ende 2008).

  • Die Anforderung, nach „Guter Herstellungspraxis“ (Good Manufacturing Practice = GMP) zu produzieren, wie sie für die pharmazeutische Industrie vorgeschrieben ist:
    diese Anforderungen übersteigen die Anforderungen an die Lebensmittel-Produktion in hohem Maße und eignen sich für bestimmte Kategorien von Inhaltsstoffen oder Produkten aus Pflanzen nicht. Zusätzlich wird den Herstellern die Einrichtung der Stelle einer „Qualified Person“ auferlegt, um pharmazeutische Standards zu erfüllen;

  • Schwierigkeit, die in der Richtlinie geforderten Kriterien nach pharmazeutischen Standards zu erfüllen:
    Beispiel - der Zusatz von Markersubstanzen, um Stabilitätskriterien zu erfüllen. Geht es dabei um eine einzelne oder um zwei Komponenten, dann wäre das machbar. Doch bei der Kombination mehrerer Komponenten, wie es in vielen traditionellen Medizin-Kulturen typisch ist, sind diese Kriterien nicht generell erfüllbar.

  • Viele traditionellen Kulturen verwenden auch nicht-pflanzliche Produkte, einschließlich von Komponenten tierischer Herkunft und Mineralien. Diese sind derzeit per Richtlinie verboten.

Die Europäische Kommission hat einen wichtigen Bericht veröffentlicht mit dem Titel “Bericht
über die Erfahrungen erworben bei der Anwendung der Bestimmungen des Kapitels 2a der Richtlinie 2001/83/EG, erweitert um die Richtlinie 2004/24/EG, hinsichtlich der spezifischen Bestimmungen, die auf traditionelle pflanzliche Arzneimittel angewendet werden“ vom 29. September 2008
(http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2008:0584:FIN:en:PDF).
Der Bericht erkennt einige der Schwierigkeiten an, die Unternehmen mit dem Zulassungsverfahren hatten; gleichzeitig geben sie aber zu verstehen, dass es zukünftig kaum Bewegung geben wird, die Bestimmungen zu ändern, mit einer einzigen Ausnahme, nämlich die Bestimmungen auf nicht-pflanzliche Substanzen ausweiten zu wollen. Etwas mehr Hoffnung gibt da die Aussage der Kommission in den Schlussfolgerungen des Berichts, dass ein neues Gesetzesregelwerk für traditionelle medizinische Systeme wie Ayurveda, Traditionelle Chinesische Medizin, Anthroposophische Medizin, etc. in Erwägung gezogen werden könnte (http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Other/2010/06/WC500093179.pdf).

Die Schlüssel-Bedenken

1. Diskriminierung von außereuropäischen Traditionen der Pflanzenmedizin dadurch, dass mindestens 15 der geforderten 30 Jahre als Basis verlangt wird, um eine schon lange etablierte, traditionelle Anwendung zu belegen. Diese Anforderungen liegen vor, weil in den verschiedenen Regionen unterschiedliche Standards in der Pharmakovigilanz vermutet werden. Sie gehen davon aus, dass die Standards außerhalb Europas geringer sein könnten als
innerhalb Europas. Diese Bestimmungen benachteiligen die Ayurveda, die Traditionelle Chinesische Medizin, die Süd-Ost-Asiatische, die Tibetische, die Amazonische und Südafrikanische Traditionen, die zu den ältesten und den am weitesten entwickelten Pflanzenbasierten Gesundheitstraditionen weltweit zählen.

2. Spezielle Kombinationen von pflanzlichen Produkten könnten verboten werden. Der „traditionelle Gebrauch“ nach THMPD stützt sich auf die Verwendung einer einzigen Pflanze oder einer spezifischen Kombination von Pflanzen. Das verhindert innovative Kombinationen, die aus wissenschaftlichen Erkenntnissen erwachsen. Ein Amendment (Einbeziehung), diesen Widerspruch zu lösen, wird gerade von der EU-Kommission geprüft, wird aber der Zustimmung des EU-Parlaments bedürfen.

3. An die Produkte werden Kriterien angelegt wie an Pharma-Produzenten und sie werden GMP unterworfen. Nach THMPD müssen die Hersteller eine pharmazeutische Herstellungspraxis nachweisen, als GMP bezeichnet: die Einhaltung von strengen Reinheits-, Stabilitäts- und Genotoxizitätskriterien. Die Anforderungen sind identisch mit der Herstellung von konventionellen Arzneimitteln, und fallen unter die Bestimmungen der selben Richtlinie (2001/83/EG). Bei den als Mischung zusammengesetzten Produkten können diese Kriterien nicht erfüllt werden, weil Mischungen komplex sind, die bekannten Marker maskiert sein können und in anderen Fällen Standards fehlen, um potentielle Marker zu identifizieren.

4. Traditionelle Arzneimittel werden nur zugelassen, wenn sie für die Anwendung von nur geringen Beschwerden angemeldet werden: dabei haben generell die traditionellen Medizinsysteme ein Spektrum entwickelt, das alle Beschwerden und Erkrankungen abdeckt, die in ihrem Umfeld vorkommen. Das Zulassungsverfahren kann also ethnischen Minoritäten, die Produkte ihres traditionellen medizinischen Systems nutzen wollen, sogar innerhalb der EU diskriminieren. Während Nahrungsergänzungsmittel (NEM), deren Inhaltsstoffe die Gesundheit unterstützen (oder das Krankheitsrisiko reduzieren) wie z.B. für das Herz-Kreislauf- oder das Nervensystem, legal in der EU verkauft werden dürfen, werden diese im THMPD-Verfahren verboten.

5. Exzessive Kosten, die durch das THMPD-Verfahren entstehen: Die hohen Kosten, die durch die Anforderungen der nach THMPD geforderten Daten entstehen, setzen sich zusammen aus der Zusammenstellung von Dossiers in Form von bibliographischen Zusammenstellungen und durch Expertengutachten, aber auch durch die Anforderungen an geno-toxische Daten, die üblicherweise komplett erhoben werden müssen, da Daten darüber nicht verfügbar sind. Diese Kosten sind für viele KMUs nicht tragbar.

6. Pflanzliche Produkte, die signifikante Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen enthalten, werden verboten sein und werden nur dann genehmigt, wenn die Wirkung dieser Nährstoffe als „vernachlässigbar“ gegenüber den pflanzlichen Komponenten bewertet wird.

7. Pflanzliche Produkte, die nicht-pflanzliche Inhaltsstoffe enthalten, die weder Vitamine noch Mineralstoffe sind, sind derzeit verboten: Möglicherweise wird das noch in einem Amendment der Richtlinie Berücksichtigung finden, auch wenn zu befürchten ist, dass die Befriedigung des HMPC hinsichtlich Verifizierung der Sicherheitsdaten zu einer Herausforderung und sehr teuer werden wird.

8. Anstieg der Kosten für den Endverbraucher und Beschneidung der Wahlfreiheit: die hohen Kosten für die Beantragung werden den Endverbraucher treffen und werden von einigen wirtschaftlich nicht zu tragen sein. Damit wird das Recht der Bürger in ihrer Wahlfreiheit, was sie für ihre Gesundheit tun wollen, beschnitten.

9. Kontrolle durch den Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der EMA:
Genehmigungen werden vom HMPC-Ausschuss kontrolliert, der überproportional stark mit
„konventionellen“ Pharmakologen gegenüber Praktizierenden der Naturheilkunde und anderen Experten mit speziellen Erfahrungen über traditionelle medizinische Praktiken besetzt ist.

10. Auswirkung auf außereuropäische Lieferanten von pflanzlichen Rohstoffen: Viele der Rohstoffe, die potentiell unter die THMPD fallen, werden in außereuropäischen Ländern in Handarbeit geerntet oder werden von kleineren Bauern und Gemeinschaften produziert. Wenn Produkte, die solche Rohstoffe enthalten, als Nahrungsergänzungsmittel mit pflanzlichen Komponenten (botanical-containing food supplement) verboten werden, und auch nicht unter THMPD erlaubt werden können, dann könnte das diese ländlichen Gemeinschaften besonders stark treffen.

Translated by ANH-Intl Supporter, Dr Corinne Enders
© 2010 Alliance for Natural Health International

Mittwoch, 14. April 2010

Phantasie

Phantasie ist wichtiger als Wissen.
Wissen ist begrenzt, Phantasie aber umfaßt die ganze Welt.

Albert Einstein (1879-1955), deutscher Physiker, Physiknobelpreis 1921