Donnerstag, 31. Dezember 2009

"Schweine"-Grippe und die Folgen

Schweinerei mit der Grippe

SPD-Politiker Wolfgang Wodarg hält die Maßnahmen gegen H1N1 für "einen der größten Medizinskandale des Jahrhunderts" und macht die Schweinegrippe zum Thema im Europarat.

  • Von Rainer Woratschka
  • Datum 16.12.2009 - 11:54 Uhr
Nur wenige Deutsche haben sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen – jetzt sind viele Impfstoffdosen übrig

Nur wenige Deutsche haben sich gegen die Schweinegrippe impfen lassen – jetzt sind viele Impfstoffdosen übrig

Gesundheitsgefahr durch gefälschte Pandemien – unter diesem Motto beschäftigt sich der Europarat im Januar mit dem Einfluss der Pharmaindustrie auf die weltweiten Kampagnen gegen die Vogel- und Schweinegrippe. Vorgesehen sind eine Dringlichkeitsdebatte in der Parlamentarischen Versammlung und ein Untersuchungsausschuss.

Initiiert wurde beides von dem ehemaligen deutschen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Wodarg (SPD), der in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates noch als Chef des Unterausschusses für Gesundheit amtiert. Wodarg ist Arzt und Epidemiologe, er hält den Umgang mit der Schweinegrippe für "einen der größten Medizinskandale des Jahrhunderts".

In seinem vom Ausschuss einstimmig beschlossenen Antrag kritisiert er die Beeinflussung von Wissenschaftlern und Behörden durch geschäftstüchtige Pharmaunternehmer. Dies habe dazu geführt, dass "unnötigerweise Millionen gesunder Menschen dem Risiko mangelhaft getesteter Impfstoffe ausgesetzt" worden seien – bei einer Infektionskrankheit, die "erheblich harmloser" sei als alle Grippewellen der Vorjahre und "nicht einmal ein Zehntel der hierbei üblichen Todesfälle" verursacht habe.

Schlimmer noch als die Tatsache, dass die Impfstoffhersteller mit ihrer Panikmache auf Kosten der Steuerzahler so prächtig verdient hätten, findet Wodarg, "dass man dafür auch Körperverletzung in Kauf genommen hat". Die in den Impfstoffen steckenden Wirkungsverstärker seien kaum erprobt worden, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. Und auftretende Nebenwirkungen bis hin zu gefährlichen Nervenlähmungen würden nach wie vor nur lückenhaft registriert.

Beschäftigen müssten sich Europarat und Berichterstatter laut Wodarg insbesondere mit der Rolle der UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO), die im Juni für die Schweinegrippe die höchste Pandemiestufe ausgerufen hat. Erstmals sei das Kriterium für die Höherstufung hierbei nicht mehr das tatsächliche Krankheitsrisiko gewesen, sondern die Zahl der Krankheitsfälle.

Damit galt die Infektion als weltweite Seuche, die Staaten wurden zum Handeln gedrängt. Der hundertmillionenfache Kauf kaum getesteter Impfstoffe und Medikamente weltweit sei die Reaktion gewesen – trotz der Zurückhaltung einiger weniger skeptischer Staaten wie Polen, Luxemburg oder der Schweiz.

Weil die WHO nicht parlamentarisch kontrolliert werde, müssten dort nun die Regierungen Konsequenzen verlangen, fordert Wodarg. Es könne nicht sein, dass man die Pandemie-Definition einer Organisation überlasse, die offensichtlich dem Einfluss von Pharmaverkäufern unterliege. Viele der Entscheidungsträger dort kämen aus der Industrie und gingen wieder dahin zurück, sagte Wodarg. Zu untersuchen sei zudem die Rolle von und die Einflussnahme auf Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Institut, die in Deutschland entscheidenden Stellen.

In der Vergangenheit hat schon einmal eine Europaratsuntersuchung Staub aufgewirbelt. Im Jahr 2005 wurde der Schweizer Politiker Dick Marty beauftragt, den vermuteten geheimen Gefangenentransporten und Gefangenenlagern der CIA in Europa nachzuspüren. Seine Berichte belegten die Existenz von CIA-Geheimgefängnissen in Polen und Rumänien und das Mitwissen mehrerer europäischer Länder um die illegalen Aktivitäten.

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Geschäft mit der Angst

Aus dem "Südkurier" vom 11.12.2009:

„Es ist ein Geschäft mit der Angst“

Der SPD-Gesundheitsexperte Wolfgang Wodarg wirft den Pharmakonzernen vor, bewusst die Gefahren der Schweinegrippe übertrieben zu haben. Mit dem SÜDKURIER sprach er über die kalkulierten Übertreibungen der Pharmaindustrie.

Herr Doktor Wodarg, gibt es die Schweinegrippe wirklich oder ist das nur eine Erfindung der Pharmaindustrie, um das Geschäft anzukurbeln?
Es ist keine Erfindung, aber die Gefahr wird übertrieben. Die Schweinegrippe ist relativ harmlos. Die normale saisonale Grippe fordert viel mehr Opfer.
In Deutschland sind es sonst 8000 bis 15 000 Todesfälle pro Jahr.

Wie kommt es, dass die Furcht vor der Schweinegrippe höher ist als vor der saisonalen Grippe?
Die Pharmaindustrie hat dafür gesorgt, dass die Risiken der diesjährigen Grippe übertrieben werden und die vorbereiteten Pandemiepläne der Weltgesundheitsorganisation (WHO) endlich in Kraft treten konnten. Denn die Konzerne haben mit einer Pandemie spekuliert.
Schon die Vogelgrippe wurde als tödliche Seuche dargestellt, um den Menschen Angst zu machen. Dabei ist es eine Tierseuche und wird nicht wie die saisonale Grippe von Mensch zu Mensch übertragen.
Dennoch hat die Pharmaindustrie diese Gelegenheit genutzt, um Pandemiepläne einzufordern, damit die Regierungen sich verpflichten, Impfstoffe zu bestellen.

Wer profitiert konkret vom Geschäft mit der Angst?
Das sind einige Pharma-Multis wie GlaxoSmithKline, Baxter und Gilead Sciences mit Roche, die an Tamiflu gut verdient haben.
Von Fachleuten wird eine Wirkung dieses Präparates sehr kritisch gesehen. Es verkürzt die Grippe statistisch um einen halben Tag. Dennoch wurden die Pillen überall eingelagert. Das war weltweit gesehen ein Milliardengeschäft. Nun wird die Schweinegrippe dazu genutzt, um dieses Geschäft wieder anzuheizen.
Die zweiten großen Profiteure sind die Impfstoffhersteller. Dazu zählen Unternehmen wie Baxter und Novartis. Ihr Einfluss geht sogar so weit, dass ihre Mitarbeiter bei der WHO am Entscheidungsprozess beteiligt sind.

Ist das zulässig oder Korruption?
Fakt ist, dass Klaus Stöhr, der Leiter der epidemiologischen Einsatzgruppe der WHO, kurz nach der Vogelgrippekampagne direkt zum Pharmakonzern Novartis wechselte. Dort ist er für Grippe-Impfstoffe zuständig.
Ich hatte auf die Gefahren des anfangs von der Bundesregierung bestellten Novartis-Impfstoffes hingewiesen. Denn dieser Impfstoff wurde auf tumorartigen Zellen gezüchtet.
Mit dem Arzneimittel-Telegramm habe ich gefordert, dass man zunächst in klinischen Versuchen das Krebsrisiko ausschließen müsse. Daraufhin hat die Regierung den Auftrag für Novartis zurückgezogen.

Sie waren lange Zeit als SPD- Abgeordneter im Gesundheitsausschuss und sind immer noch im Europarat. Was sagen ihre Kollegen zu diesen Vorwürfen?
Es gab unterschiedliche Reaktionen. Um das zu verstehen, muss man aber wissen, dass es immer die beruhigenden Stimmen des Robert-Koch Instituts und des Paul-Ehrlich Instituts gab. Ich als Mediziner konnte die Aussagen nicht nur politisch, sondern auch fachlich beurteilen. Das ist mein Privileg als Arzt und Epidemologe.

Wie haben die deutschen Fachinstitute auf die Schweinegrippe reagiert?
Die haben diese Panikmache mitgetragen. Die Aussage bei der Vogelgrippe war immer: man weiß nicht, aber vorsichtshalber sollte man, es könnte ja sein, dass es stimmt.
Dieser Ansatz ist wissenschaftlich völlig unhaltbar. Ohne Beweise könnte man jedes Risiko aufblasen.
Außerdem ist er virologisch falsch. Denn Viren, die besonders gefährlich sind und Menschen töten, würden sich den eigenen Nährboden entziehen. Am erfolgreichsten sind Viren, bei denen die Wirte nicht sterben.

Und Wirte sind in diesem Fall Menschen?
Ja. Deshalb verbreitet sich ein Virus, der die Menschen nicht so krank macht, viel schneller. Wenn die Menschen weiterhin zur Arbeit oder in die Schule gehen können, stecken sie viel mehr andere Menschen an.

Wie wichtig ist die Begrifflichkeit für das Geschäft mit der Angst?
Wenn man das neue Virus Rattengrippe genannt hätte, wäre die Furcht vermutlich noch größer. Dahinter stecken reine Marketingüberlegungen. Denn Viren sind zusammengesetzt wie ein Mosaik aus verschiedenen Vorgängern mit unterschiedlichen Markern an der Oberfläche, die man in verschiedenen Säugetieren oder Vögeln wiederfindet. Da kann man sich ein beliebiges Segment aussuchen und die Grippe danach benennen.

Wer hat denn als Erster das Milliardengeschäft mit der Grippe entdeckt?
Mir schien es so, dass die ganze Inszenierung mit der Vogelgrippe begann. Eine herausragende Rolle hatte dabei Donald Rumsfeld.
Er war bis zu seinem Amtsantritt als US-Verteidigungsminister Vorstandsmitglied beim Pharmaunternehmen Gilead Sciences. In seiner Regierungszeit blieb er Großaktionär. Rumsfeld inszenierte dann in der Bush-Administration den Vogelgrippealarm, was eine Verkaufskampagne für das von Gilead Sciences zusammen mit der Schweizer Firma Roche produzierte Medikament Tamiflu war. Als Folge stiegen die Aktien.
In den USA wurden insgesamt 1,5 Milliarden Dollar aus Steuergeldern für Tamiflu ausgegeben. Die WHO hat das mitgemacht.
Das war dann Anlass, dass in Deutschland Pandemiepläne geschmiedet wurden. Einige Pharma-Unternehmen haben das sehr gefördert. Zudem hat die deutsche Regierung dem Pharmaunternehmen Glaxo-Smith-Kline geholfen, in Sachsen ein Impfstoffwerk zu bauen. Es sollte ja möglichst schnell ein Serum produziert werden können. Auch hat sich die Pharmaindustrie eine Abnahmegarantie geben lassen. Dabei war schon der Vogelgrippevirus für Menschen harmlos.

Warum funktioniert die Inszenierung bei der Schweinegrippe nicht so gut?
Die Menschen sind klüger als man glaubt.

Was kann man tun gegen diese fragwürdigen Geschäfte?
Wir müssen für mehr Transparenz sorgen. Ganz besonders bei Institutionen wie der WHO. Es darf nicht möglich sein, dass Spitzenbeamte gemeinsame Sache machen mit der Pharmaindustrie. Das kostet uns hunderte von Millionen, die wir für wichtigere Maßnahmen brauchen. Das ist ganz einfach Korruption. Im Europarat kämpfe ich gemeinsam mit einem englischen Kollegen dafür, dass ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird. In Deutschland sollte man die Verbindungen der Industrie mit dem Robert-Koch und Paul-Ehrlich Institut durchleuchten.

Mit Wolfgang Wodarg sprach Davor Cvrlje

Sonntag, 27. Dezember 2009

Impfung gegen „Schweine-Grippe“ - Nutzen bisher nur für die Impfstoffhersteller belegt

Eine Stellungnahme der Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V. (http://www.individuelle-impfentscheidung.de)

(Hervorhebungen im Text durch Fettdruck vom Blogautor)

Im Eilverfahren hat die europäische Kommission im Herbst 2009 mehrere H1N1-Impfstoffe zugelassen, die die Infektion mit dem „Schweinegrippe“-Virus H1N1 verhindern sollen. Sicherheit und Wirksamkeit der neuen Impfstoffe sind nur ansatzweise untersucht. Die Schweinegrippe-Hysterie bietet den Impfstoffherstellern offensichtlich eine gute Gelegenheit, neue und riskante Herstellungsverfahren und Hilfsstoffe zur Zulassung zu bringen. Die Zulassungsbehörden haben die Hürden fahrlässig niedrig aufgestellt.


Die "Pandemie-Impfstoffe"

Drei der neuen H1N1-Impfstoffe arbeiten mit problematischen Wirksamkeitsverstärkern:
Pandemrix® von GlaxoSmithKline mit dem Verstärker AS03, Focetria® von Novartis und Celtura® von Novartis mit dem Verstärker MF59. Beide Wirksamkeitsverstärker enthalten das problematische Squalen.
Bei Celtura® sind die Viren nach einem neuen Verfahren auf Nierenzellen von Hunden gezüchtet. Diese Zellen können in anderen Organismen Krebs auslösen (AT 12/2007). Ob diese Gefahr auch beim Menschen droht, wenn Erbmaterial dieser Zellen in den Impfstoff gerät, ist bislang nicht untersucht.

Der vierte neu zugelassene Impfstoff, Celvapan® von Baxter, ist ein Ganzkeim-Impfstoff ohne Wirksamkeitsverstärker, der nach einem neuen und bisher unüblichen Herstellungsverfahren auf Säugetierzellen gezüchtet ist. Ganzkeim-Impfstoffe gelten wegen ihrer schlechten Verträglichkeit als veraltet. Für Celvapan® ist die Datenlage zur Verträglichkeit bisher äußerst dünn, für ungeborene Kinder ist der Impfstoff riskant (AT 11/2009, HANDELSBLATT 2009).

Bereits im Juli 2009 hatten die deutschen Bundesländer 50 Millionen Dosen des H1N1-Impfstoffs Pandemrix® im Wert von 700 Millionen Euro bestellt – zu einem Zeitpunkt, als den Gesundheitsbehörden die pflichtgemäße Überprüfung von Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs noch gar nicht möglich war. Bis heute gibt es lediglich eine Impfstudie mit Ratten und einer Nachbeobachtungszeit von zwei Stunden Dauer, und Studien mit so genannten Impfstoff-Atrappen („Mock-up“). Im Bewertungsbericht der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA zu Pandemrix® heißt es lapidar: "...mit dem Impfstoff Pandemrix® wurde keine pharmakologische Studie zur Sicherheit durchgeführt" (EMEA 2009). In mehreren Studien, in denen die Pandemrix-Atrappe (A/H5N1) mit Grippeimpfstoffen ohne Wirkstoffverstärker verglichen wurde, fanden sich deutlich vermehrt Nebenwirkungen aller Schweregrade (BLITZ-AT 2009).

Ergebnisse klinischer Studien zu Wirkung und Sicherheit der H1N1-Impfstoffe werden erst nach Beginn der Massenimpfung vorliegen – ein bisher einmalig riskanter Vorgang angesichts des in allen EU-Ländern weiterhin milden Verlaufes der Erkrankung (die meisten Patienten sind gesund, bevor die Diagnose „H1N1“ gesichert ist). Zu Recht spricht der französische Impfexperte Marc Girard von einer „regulatorischen Anarchie“ (GIRARD 2009).

Der Impfstoff Pandemrix® ist auf Hühnereiern gezüchtet und verbietet sich somit bei Hühnereiallergie. Er enthält den neuen Impfstoffverstärker AS03, dessen Inhaltsstoff Squalen (das auch in Focetria® und Celtura® enthalten ist) im Tierversuch zur Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Gewebe führt. Personen mit einer genetischen Neigung zu Autoimmunerkrankungen könnten dadurch gefährdet werden (KURODA 2006). In der Studie mit der Pandemrix-Atrappe (A/H5N1) kam es unter 300 Kindern zu zwei Fällen von autoimmuner Leberentzündung, einer äußerst seltenen Erkrankung; bei Fälle wurden von der EMEA als Zufall abgetan (EMEA 2009 S. 57). Forscher diskutieren auch die Möglichkeit, dass die Impfstoffverstärker durch autoimmune Mechanismen arteriosklerotische Blutgefäßerkrankungen auslösen oder beschleunigen könnten (BHAKDI 2009).

Wegen der Lieferung als Mehrfachdosis wird Pandemrix® mit dem Problemstoff Thiomersal konserviert. Diese Quecksilberverbindung steht unter Verdacht, das Risiko für neurologische Erkrankungen zu erhöhen (YOUNG 2008, HEWITSON 2009).

Bisher durchgeführte Studien zeigen, dass mit AS03-verstärkte Impfstoffe deutlich schlechter verträglich sind als nicht verstärkte Impfstoffe (AT 11/09). Im Zusammenhang mit der Impfung kommt es immer wieder zu schweren Zwischenfällen und auch Todesfällen (DÄ 4.11.2009, ÄZ 2009). Dem Paul-Ehrlich-Institut bis Ende November 2009 über 40 schwere allergische Zwischenfälle, mindestens 14 Lämungserkrankungen und über 600 weitere Impfnebenwirkungen gemeldet - darunter auch 15 Todesfälle. Bei der bekannten Untererfassung von Impfnebenwirkungen ist es schwer nachvollziehbar, warum das Paul-Ehrlich-Institut schwere Zwischenfälle nach der Impfung als Zufall abtut, während ihm der Nachweis von H1N1-Viren in einem Abstrich ausreicht, um schwere Erkrankungen und Todesfälle auf dieses Virus zurückzuführen. Rein statistisch ist zu erwarten, dass in Deutschland pro Jahr etwa 3000 Menschen sterben, die zufällig auch das Schweinegrippe-Virus in sich tragen (AT 2009, 12, WELT 2009).

In den USA hatte 1976 ein ebenfalls überstürzt zugelassener H1N1-Impfstoff bei Hunderten von Patienten zu Lähmungserkrankungen (Gullain-Barré-Syndrom) geführt. Neben solchen neurologischen Erkrankungen können Grippeimpfungen auch allergische Reaktionen auslösen, den Verlauf von Asthma verschlechtern, die allgemeine Krankheitsanfälligkeit steigern und die Entstehung von Autoimmunerkrankungen begünstigen (TOPLAK 2008).

Die Impfempfehlung

Ungeachtet aller Einwände empfahl die Ständige Impfkommission STIKO die H1N1-Impfung zunächst für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, für Menschen (auch Kinder ab 6 Monaten) mit chronischen Krankheiten und für Schwangere (EB 2009). Anfang Dezember 2009 wurde - trotz rückläufiger Erkrankungszahlen - die Impfung allen Bevölkerungsgruppen empfohlen (EB 2009, 50).

Zur Impfung von Schwangeren hieß es im Anhang der STIKO-Impfempfehlung, sie sollten „bis zum Vorliegen weiterer Daten mit einem nicht-adjuvantierten Spaltimpfstoff geimpft werden“, also einem Impfstoff ohne Wirksamkeitsverstärker. Diese Empfehlung war schon kabarettreif, denn ein solcher Impfstoff wurde erst Mitte Dezember zugelassen, also die Schweinegrippe schon auf dem Rückzug war.

Impfwillige Schwangere und ihre Ärzte wurden von der STIKO mit folgender Erklärung noch weiter verwirrt: "Die Anwendung von Pandemrix® in der Schwangerschaft ist unter der Berücksichtigung von offiziellen Empfehlungen von der Zulassung abgedeckt, wenn eine Impfung für notwendig erachtet wird“. Generell wies die STIKO darauf hin „dass die Impfung im Zweifelsfall nach individueller Nutzen-Risiko-Abwagung vorgenommen werden soll. Das gilt insbesondere für chronisch Kranke, Kinder und Schwangere“. Offensichtlich war dies ein Versuch, die Verantwortung für mögliche Impfnebenwirkungen den Ärzten zuzuschieben. Impfärzten empfehlen wir daher die akribische Dokumentation darüber, dass sie ihre Patienten über das Fehlen von Daten zur Impfstoffsicherheit aufgeklärt haben.


Interessenskonflikte, Gewinnmitnahmen - und Zweifel

Im Vorfeld der Impfempfehlung waren sowohl die STIKO als auch die EMEA massiv in die Kritik geraten, weil sie Entscheidungsprozesse nicht transparent machen und Interessenskonflikten unterliegen (TRANSPARENCY 2009). Auch die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern wurden kritisiert, weil sie dem Hersteller GlaxoSmithKline in einer geheimen Vereinbarung eine Haftungsfreistellung garantieren, ihm die Logistik bei der Auslieferung der Impfstoffe abnehmen und dafür auch noch überhöhte Preise zahlen - allein 6 Euro pro Impfstoff für den Wirkstoffverstärker AS03 - das Arznei-telegramm spricht von "Abzockerei" (AT 2009).

Nachdem die WHO im Mai 2009 für die H1N1-Influenza eigens die Pandemie-Definition angepasst hatte - um H1N1 zur Pandemie erklären zu können, wurde die "Gefährlichkeit" als Kriterium gestrichen -, spielen nationale und internationale Behörden den betroffenen Pharmakonzernen in die Hände. Das europäische Parlament wird sich im Januar 2010 in einer Dringlichkeitsdebatte und einem Untersuchungsausschuss mit dem Einfluss der Pharmaindustrie auf die weltweiten Kampagnen gegen Vogel- und Schweinegrippe beschäftigen (TAGESSPIEGEL 16.12.2009). Antragsteller ist der Arzt und SPD-Abgeordnete Wodarg, der den Umgang mit der Schweinegrippe als "einen der größten Medizinskandale des Jahrhunderts" bezeichnet. Es seien „unnötigerweise Millionen gesunder Menschen dem Risiko mangelhaft getesteter Impfstoffe ausgesetzt“ worden. Untersucht werden müsse vor allem auch die Rolle der WHO und des deutschen Paul-Ehrlich- und Robert-Koch-Instituts.

In den vergangenen Jahren hatten unabhängige Experten die wissenschaftliche Grundlage von Grippeschutzimpfungen und antiviralen Medikamenten gegen die Grippe zunehmend in Frage gestellt. Der Influenza-Experte Tom Jefferson vom renommierten Cochrane Institut hatte mehrfach vernichtende Urteile sowohl über die Grippeimpfung als auch über Grippemedikamente gefällt. Keine der Maßnahmen sei in seiner Wirkung gesichert, ein positiver Einfluss auf die Sterblichkeit der Patienten sei nicht nachzuweisen.

Es gibt außerdem Belege dafür, dass die Influenza-Impfung den Aufbau einer langfristigen Influenza-Immunität blockieren kann und damit die Erkrankungswahrscheinlichkeit gerade im Alter erhöht (CARRAT 2006, BODEWES 2009). "Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen, stehen jetzt nicht mehr als rücksichtslose Hasardeure da. Denn es erscheint plausibel, dass das Durchleiden einer milden Schweinegrippe ... einen besseren Schutz vor künftigen Grippeinfektionen bedeutet als die Impfung" (FAZ 2009). So zeigte sich in der Influenza-Saison 2009 in Australien, dass das Durchmachen der "Schweinegrippe" vor der Erkrankung mit der meist schwerer verlaufenden saisonalen Influenza schützt; die Gesamtsterblichkeit an Influenza sank dadurch um ca. 90 Prozent (TAGESSPIEGEL 11.11.2009, Monitor 2009).

Laut Tom Jefferson wird die Gefahr der Schweinegrippe völlig überschätzt. Es werde aber bewusst Panik geschürt, denn damit lasse sich viel Geld verdienen. Die Gewinne seien riesig, und so sei der Druck der Industrie gerade in diesem Bereich immens (SPIEGEL ONLINE 2009).

Tatsächlich verbuchen die großen Hersteller von Grippemedikamenten - Roche, GlaxoSmithKline, Novartis und Baxter - riesige Gewinne, und weitere Gewinnerwartungen treiben die Aktienkurse in schwindelnde Höhen (HAMBURGER ABENDBLATT 2009). GlaxoSmithKline hat allein zwischen April und September 2009 einen Dreimonats-Rekordgewinn von 2,4 Milliarden Euro gemeldet, die Aktien sind um mehr als zehn Prozent gestiegen. Der Verkauf des Anti-Grippe-Mittels Relenza und des Impfstoffs Pandemrix® wird in diesem Jahr noch einmal mehrere Milliarden Euro Umsatz bringen. Leute wie Sir Roy Anderson, Berater bei der britischen Regierung, bei der Weltgesundheitsorganisation und für ein Jahresgehalt von 116000 britischen Pfund auch beim Impfstoffherstellers GlaxoSmithKline, garantieren den Cashflow aus den Kassen der Krankenversicherer hin zu den großen Pharmagiganten (DAILY MAIL 2009).

Die europäische Zulassungsbehörde EMEA wird zu fast zwei Dritteln von der Pharmaindustrie finanziert wird und ist nicht dem Gesundheits-, sondern dem Wirtschaftsressort der Europäischen Kommission zugeordnet. In Sachen „Schweinegrippe“ ist sie daher kaum als unabhängig zu einzuordnen (TRANSPARENCY 2009). So heißt es auch in der Direktive 65/66/EEC der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft aus dem Jahr 1965, oberste Regel für die Herstellung und Verteilung medizinischer Produkte sei es zwar, die öffentliche Gesundheit sicherzustellen, dies dürfte jedoch nicht auf darauf hinauslaufen, dass die Entwicklung der pharmazeutischen Industrie behindert wird (EEC 1965).

Die EMEA verfuhr nicht nur bei den H1N1-Impfstoffen, sondern auch beim Grippemittel Tamiflu® ungewöhnlich großzügig: Sie verlängerte im Mai 2009 dessen Haltbarkeit von fünf auf sieben Jahre und erweiterte die Zulassung im Pandemiefall auf Säuglinge, Schwangere und Stillende - und das, obwohl dieses Medikament in jüngster Vergangenheit sowohl wegen fraglicher Effektivität als auch wegen schwerer Nebenwirkungen Schlagzeilen machte. Noch vor einiger Zeit hatte die EMEA noch vor den Risiken von Tamiflu® gewarnt (DÄ 2007): Vor allem bei Kindern und Jugendlichen könnten in bis zu drei Prozent der Behandelten Verhaltensauffälligkeiten wie Verwirrtheit, Halluzinationen und Delirium auftreten (JEFFERSON LANCET 2009). In Japan gab es eine Reihe von Selbstmorden bei Jugendlichen, die Tamiflu eingenommen hatten.

Die Schutzwirkung durch Tamiflu® und dem verwandten Präparat Relenza® vor Influenza-Komplikationen wird von einer aktuellen Metaanalyse des Cochrane-Instituts und von der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA generell in Frage gestellt (JEFFERSON 2009, BLITZ-AT 2009 22.12.09). Eine experimentelle Studie weist sogar darauf hin, dass die Behandlung mit Tamiflu die Aktivität des H1N1-Virus begünstigen könnte (LIN 2009). Es ist allerdings kaum zu erwarten, dass hierzu klinische Nachforschungen angestellt werden, denn für die Behörden ist Tamiflu nach wie vor ein unantastbarer Bestandteil der Strategie gegen die Schweinegrippe (z.B. WHO 2009).

Angesichts des bisherigen, im wesentlichen harmlosen Verlaufes der „Schweinegrippe“ gibt es keine einleuchtende Begründung für die Anwendung überteuerter, mangelhaft erprobter oder mit der Gefahr ernster Nebenwirkungen behafteter Medikamente wie der H1N1-Impfung oder Tamiflu®. Todesfälle durch die "Schweinegrippe" sind zwar tragisch, aber ihre Aufrechnung gegen die möglichen Vorteile der Impfung ist nicht statthaft, weil der Schutzeffekt der Impfung ungewiss ist und zum jetzigen Zeitpunkt niemand weiß, wieviele tragische Nebenwirkungen und Langzeitfolgen die Impfung mit sich bringt.
Was tun?

Tom Jefferson empfiehlt als Maßnahme zur Verhinderung einer Grippeerkrankung, sich öfters die Hände zu waschen - dies sei billig und in seiner Wirksamkeit belegt. Nebenwirkungen sind bei dieser Prophylaxe kaum zu erwarten.



Referenzen:

AT (Arznei-telegramm): Grippeimpfstoff Optaflu. AT 2007, 12:111-112

AT (Arznei-telegramm): Schweinegrippe: Alles im Griff? AT 2009, 9:77-80. Vergleichbarer Text im blitz-at vom 25.9.2009

AT (Arznei-telegramm): A/H1N1-Impfstoff: Alles im Griff? (III) Verträglichkeitsmythos und Empfehlungschaos. AT 2009, 11:93-94

AT (Arznei-telegramm): Schweinegrippe:...unterschiedliche Maßstäbe bei Todesfällen im Zusammenhang mit Infektion oder Impfung. AT 2009, 12:104-5

Ärztezeitung: Anaphylaktischer Schock nach Schweinegrippe-Impfung. 3.11.09

Bhakdi S, Lackner K, Doerr HW: Possible hidden hazards of mass vaccination against new influenza A/H1N1: have the cardiovascular risks been adequately been weighed? Med Microbiol Immun 2009, 198:205-209

Blitz-AT (Blitz-arznei-telegramm): Alles im Griff? III Schweinegrippe-Impfstoff: Verträglichkeitsmythos und Empfehlungschaos. 16.10.2009

Blitz-AT (Blitz-arznei-telegramm): Zweifel an den Daten zu Oseltamivir (Tamiflu). 22.12.09

Bodewes R, Kreijtz JH, Rimmelzwaan GF: Yearly influenza vaccinations: a double-edged sword? Lancet Infect Dis 2009, 9(12):784-788. Epub 2009 Oct 30

Carrat F, Lavenu A, Cauchemez S, Deleger S: Repeated influenza vaccination of healthy children and adults: borrow now, pay later? Epidemiol Infect 2006, 134(1):63-70

DÄ (Deutsches Ärzteblatt): Tamiflu: Auch EMEA warnt vor neuropsychiatrischen Komplikationen. DÄ 26.3.2007

DÄ (Deutsches Ärzteblatt): Allergierisiko Impfstoff: Schwedische Erfahrungen mit der Schweinegrippe. DÄ 2.11.2009

Daily Mail: Government virus expert paid £116k by swine flu vaccine manufacturers.
27.7.2009

EB (Epidemilogisches Bulletin): Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1). EB 2009, 41:403-424

EB (Epidemiologisches Bulletin): Mitteilung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut: Impfung gegen die Neue Influenza A (H1N1). Erneute Bewertung der Daten am 24.11.2009. EB 2009, 50:513-519

EEC (Council of European Economic Community): Council Directive 65/65/EEC of 26 January 1965 on the approximation of provisions laid down by law, regulation or administrative action relating to medicinal products.

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FAZ (Frankfurter Allgemeine Zeitung): Kann die Schweinegrippe sogar nützen? 25.11.2009

Girard M: Swine flu: to vaccinate or not? 27.9.2009

Hamburger Abendblatt: Gute Geschäfte mit der Pandemie-Angst. 26.8.2009

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Hewitson L, Houser LA, Stott C, Sackett G et al: Delayed acquisition of neonatal reflexes in newborn primates receiving a thiomersal-containing hepatitis-B-vaccine: influence of gestional age and bird weight. Neurotox 2009, Epub

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Tagesspiegel: Schweinegrippe: Höchste Warnstufe. 11.11.2009

Tagesspiegel: Schweinerei mit dern Grippe. 12.12.2009

Toplak 2008, Kveder T, Trampus-Bakija A, Subeli V et al: Autoimmune response following annual influenza vaccination in 92 apparently healthy adults. Autoimmune Rev 2008, 8(2): 134-8

Transparency International: Pressemitteilung. „Schweinegrippe“-Impfung: Transparency kritisiert potenzielle Interessenkonflikte und intransparente Entscheidungsprozesse bei der ständigen Impfkommission STIKO. 14.9.2009.

WELT Online: Todesfälle nach H1N1-Impfung sind oft Zufall. 18.11.2009

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Young HA, Geier DA, Geier MR: Thimerosal exposure in infants and neurodevelopmental disorders: an assessment of computerized medical records in the Vaccine Safety Datalink. J Neurol Sci 2008, 271(1-2):110-8

Transparency kritisiert Pharmainteressen bei Schweinegrippe-Impfung

Gefunden auf Yahoo Nachrichten:

Berlin (APD) Die Schweinegrippeimpfung nützt aus Sicht von Transparency International bislang in erster Linie der Pharmaindustrie. Die Krankheit sei «katastrophenmäßig aufgebauscht worden», sagte Anke Martiny, Vorstandsmitglied der Anti-Korruptions-Organisation, der Nachrichtenagentur DAPD. Sie beklagte zudem Milliardenverluste durch Korruption im Gesundheitswesen.

Hier das Gespräch im Wortlaut:

DAPD: Der deutsche Gesundheitsmarkt wird auf 250 Milliarden Euro geschätzt. Wie viel wird davon auf illegale oder halblegale Weise abgezweigt?

Anke Martiny: Es gibt nur Schätzungen, denn nur fünf bis zehn Prozent aller Korruptionsfälle werden überhaupt aufgedeckt. Auf Erfahrungen basierte Zahlen aus anderen Ländern besagen, dass im Gesundheitsmarkt drei bis zehn Prozent durch Betrug und andere Arten von Wirtschaftskriminalität verloren gehen. Es besteht kein Grund anzunehmen, dass es in Deutschland weniger ist.

DAPD: Können Sie Beispiele nennen?

Martiny: Der Pharmamarkt. Es macht doch stutzig, dass die Hersteller für Marketing deutlich mehr ausgeben als für die Entwicklung innovativer Produkte. Es werden Medikamente als Innovationen vermarktet, die das gar nicht sind. Und jetzt hat die Industrie die Impfungen entdeckt, zum Beispiel gegen Gebärmutterhalskrebs oder gegen Schweinegrippe. Aus Marketingsicht sind das echte Knüller.

DAPD: Sie haben kritisiert, dass die Mehrheit der Mitglieder der Ständigen Impfkommission, die die Schweinegrippe-Impfung empfohlen hat, Verbindungen zur Pharmaindustrie haben. Wie schlimm sind solche Kontakte eigentlich?

Martiny: Klar braucht man Expertenwissen, und das ist nahe an der Industrie. In diesem konkreten Fall hätte von der STIKO der Nachweis erbracht werden müssen, dass Interessenkonflikte keine Rolle spielten. Von Anfang an hatten externe Experten Zweifel an der Sinnfälligkeit dieser Entscheidung. Eine offene wissenschaftliche Diskussion hat aber nicht stattgefunden.

DAPD: Kann man so weit gehen zu sagen, es gibt eine Massenimpfung, die weniger der Bevölkerung nützt als der Pharmaindustrie?

Martiny: Bei der Schweinegrippe habe ich den deutlichen Verdacht, dass es im Wesentlichen den Anbietern der Impfstoffe genützt hat. Impfen ist ja grundsätzlich vernünftig. Aber man braucht das Vertrauen der Bevölkerung. Wenn man, wie im Fall der Schweinegrippe, eine Sache katastrophenmäßig aufbauscht, die sich hinterher als Papiertiger entpuppt, dann untergräbt man dieses Vertrauen.

DAPD: Immer wieder gibt es auch Skandale mit angeblich korrupten Ärzten. Nimmt das eigentlich eher zu oder ab?

Martiny: Das Bewusstsein, was für ein Schaden angerichtet wird, das hat sich erhöht. Auch die Fachkenntnisse der Staatsanwaltschaften haben sich verbessert. Das ist ein Vorteil. Aber der Druck in dem Markt ist geblieben. Es gibt ein Überangebot. Die Deutschen gehen dreimal so oft zum Arzt wie andere Völker und sind trotzdem nicht gesünder. Es ist ungeheuer, was für ein Schindluder getrieben wird. Bei einem Bruch wird nicht einfach geröntgt, sondern gleich eine CT-Untersuchung gemacht. Es besteht der Hang zum jeweils teuersten. Da muss man bei den Versicherten, den Ärzten, den Herstellern das Bewusstsein schärfen, dass das Geld begrenzt ist.

DAPD: Seit der Gesundheitsreform 2004 haben die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen Korruptionsbeauftragte. Hat das was geholfen?

Martiny: Die Idee war gut. Und die Krankenkassen fügen sich dem auch relativ brav. Nur: Die Kassenärztlichen Vereinigungen verweigern sich fast alle. Nach dem Skandal um Fangprämien von Kliniken an niedergelassene Ärzte haben Krankenhausgesellschaft und Ärzteverbände vereinbart, nun «Clearingstellen» zu schaffen. Aber das ist der größte Quatsch des Jahrhunderts, denn diese Stellen gibt es eben schon. Die tun aber leider nicht das Notwendige. Die Ärzteverbände kennen doch ihre Pappenheimer, sie könnten in Problemfällen durchgreifen. Sie tun es nicht, weil sie sich als Standesorganisation für ihre Kollegen begreifen.

DAPD: Wie groß ist das Problem der Fangprämien eigentlich?

Martiny: Es ist undurchsichtig. Von der Tendenz ist ja richtig, die Arbeit von Ärzten und Kliniken besser zu verzahnen, um Kosten zu sparen. Nur darf sich kein Arzt dem Verdacht aussetzen, dass Patienten aufgrund von Prämienzahlungen eingewiesen werden. Noch problematischer sind die Überweisungen der Ärzte untereinander, vor allem zu Laboren oder Röntgenpraxen, außerdem die Verbindungen zwischen Zahnärzten und Dentallaboren, Orthopäden und Schuhmachern und ähnliches. Da gibt es auch Kick-Back-Zahlungen. Wenn nur ein Prozent dieser Überweisungen zweifelhaft ist, dann bedeutet das insgesamt Milliarden-Verluste im System.

DAPD: Was wäre an zusätzlichen Kontrollen nötig?

Martiny: Wenn man auf die Einhaltung der Gesetze und der Berufsordnungen achten würde, dann wäre das schon fein. Das Risiko erwischt zu werden, muss aber deutlich höher werden. Die Ärzte müssen sich von schwarzen Schafen lossagen. Die Patienten müssen das Gespräch mit den Ärzten suchen, wenn sie Zweifel an einer Behandlung oder Operation haben. Es ist immer noch die Mentalität verbreitet, das zahlt sowieso die Kasse. Aber am Ende zahlt man selber, über die höheren Tarife.

(Die Fragen stellte Verena Schmitt-Roschmann)

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Anke Martiny, seit 2001 stellvertretende Vorsitzende der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, gehörte von 1972 bis 1989 für die SPD dem Bundestag an. Anschließend war sie für zwei Jahre Kultursenatorin in Berlin, später auch Vertreterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tel Aviv. Die heute 70-Jährige war zeitweilig mit dem inzwischen verstorbenen SPD-Politiker Peter Glotz verheiratet.