Marietta Slomka in der "Zeit" vom 22.04.2004:
"Ich habe einen Traum – der mir die Ruhe raubt. (...)
Auf meinem Studiotisch herrscht verräterische Leere.
Dort, wo sich sonst das Papier mit den Neuigkeiten der letzten Stunden stapelt, liegen nur ein paar vereinzelte Seiten. Der Teleprompter, von dem ich die selbst geschriebenen Nachrichtenmoderationen lese, ist dunkel. Ich frage die Regie, warum das Gerät nicht läuft. Keine Antwort. Die Studiobeleuchtung erlischt. Ich setze mich trotzdem gerade hin, drücke den Rücken durch und warte auf das Zeichen zum Sende-Start. Aus den Studiolautsprechern kommt eine Durchsage des Regisseurs: »Das heute-journal fällt aus. Es gibt nichts, was wir zu vermelden brauchten. Wir senden stattdessen ein Schwarzbild. Schönen Feierabend.«
Ich zappe durch zwei deutsche Nachrichtenkanäle. Auf n-tv läuft nur das Wetter und sich ständig wiederholende Berichte über den Start des Senders vor zehn Jahren. N24 wiederholt Tierdokumentationen aus den sechziger Jahren. Auf einem Laufband steht: »Es gibt gerade nichts Neues.«
Die Telefone laufen heiß. Tausende Zuschauer beschweren sich. »Wo bleiben die Toten, wo die miserablen Konjunkturdaten?«, fragen sie empört. Das ZDF bringt nach dem 30-minütigen Schwarzbild eine Sondersendung zum Thema: »Nichts ist das Neue. Wie wir ab sofort ohne News leben müssen.«
RTL vermeldet unter dem Signet »Breaking News«: »Ruhe vor dem Sturm: Geheimnisvoller Frieden erschüttert die Welt. Tausende Reporter bald ohne Arbeit?« Die Nachrichtenagentur dpa versendet eine Eilmeldung: » Bild hat Hinweise auf Kollaboration von friedlichen Elementen weltweit.« Die ARD ruft eilig die Chefredakteure der Regionalsender zusammen. Der Programmauftrag sei in Gefahr. Schon befürchte man einen Einbruch bei den Gebühren. Die Nachrichtenagenturen überbieten sich mit immer neuen Deutungen der plötzlich gewaltlosen Weltlage. Im ZDF senden wir weiter Schwarzbild mit Untertiteln (»Es gibt nichts zu berichten – bleiben Sie dran!«). Am nächsten Morgen legt man uns die Zuschauerzahlen auf der Tisch: Es waren die höchsten Einschaltquoten aller Zeiten."
Quelle: www.zeit.de
Auf meinem Studiotisch herrscht verräterische Leere.
Dort, wo sich sonst das Papier mit den Neuigkeiten der letzten Stunden stapelt, liegen nur ein paar vereinzelte Seiten. Der Teleprompter, von dem ich die selbst geschriebenen Nachrichtenmoderationen lese, ist dunkel. Ich frage die Regie, warum das Gerät nicht läuft. Keine Antwort. Die Studiobeleuchtung erlischt. Ich setze mich trotzdem gerade hin, drücke den Rücken durch und warte auf das Zeichen zum Sende-Start. Aus den Studiolautsprechern kommt eine Durchsage des Regisseurs: »Das heute-journal fällt aus. Es gibt nichts, was wir zu vermelden brauchten. Wir senden stattdessen ein Schwarzbild. Schönen Feierabend.«
Ich zappe durch zwei deutsche Nachrichtenkanäle. Auf n-tv läuft nur das Wetter und sich ständig wiederholende Berichte über den Start des Senders vor zehn Jahren. N24 wiederholt Tierdokumentationen aus den sechziger Jahren. Auf einem Laufband steht: »Es gibt gerade nichts Neues.«
Die Telefone laufen heiß. Tausende Zuschauer beschweren sich. »Wo bleiben die Toten, wo die miserablen Konjunkturdaten?«, fragen sie empört. Das ZDF bringt nach dem 30-minütigen Schwarzbild eine Sondersendung zum Thema: »Nichts ist das Neue. Wie wir ab sofort ohne News leben müssen.«
RTL vermeldet unter dem Signet »Breaking News«: »Ruhe vor dem Sturm: Geheimnisvoller Frieden erschüttert die Welt. Tausende Reporter bald ohne Arbeit?« Die Nachrichtenagentur dpa versendet eine Eilmeldung: » Bild hat Hinweise auf Kollaboration von friedlichen Elementen weltweit.« Die ARD ruft eilig die Chefredakteure der Regionalsender zusammen. Der Programmauftrag sei in Gefahr. Schon befürchte man einen Einbruch bei den Gebühren. Die Nachrichtenagenturen überbieten sich mit immer neuen Deutungen der plötzlich gewaltlosen Weltlage. Im ZDF senden wir weiter Schwarzbild mit Untertiteln (»Es gibt nichts zu berichten – bleiben Sie dran!«). Am nächsten Morgen legt man uns die Zuschauerzahlen auf der Tisch: Es waren die höchsten Einschaltquoten aller Zeiten."
Quelle: www.zeit.de
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